Meine Prozesse des Lebens
Kapitel 1 – erste Krise
Ich wusste schon früh, dass ich Lehrer werden wollte. Sportlehrer – das war mein Traum! Im Sportstudium an der Uni erkannte ich jedoch schnell, dass lateinische Begriffe und statistische Auswertungen wohl nicht die richtigen Werkzeuge sind, um Kinder und Jugendliche auf ihrem Lebensweg zu begleiten. So landete ich an der pädagogischen Hochschule, wo ich mich während fünf Jahren vertieft mit den Sonnen- und Schattenseiten unseres Bildungssystems auseinandersetzte. Ich erkannte noch während dem Studium, dass sich eine minutengenaue Planung nur in der Theorie umsetzen lässt, dass Problemschüler nicht das Problem sind und dass ein Diplom einer Hochschule nichts über die wirklichen Fähigkeiten einer Lehrperson aussagt.
Ich unterrichtete die ersten Jahre als cooler Junglehrer. Im Fokus: gut drauf sein und gut ankommen. Ich kontrollierte jeden Morgen die Hausaufgaben, stellte fleissig meine Dossiers zusammen und belohnte oder bestrafte die Jugendlichen, so wie ich es an der Hochschule gelernt hatte. Dann kam eine private Krise. Das Kennenlernen meiner heutigen Frau Martina würde ich rückblickend als meinen „Schicksalsschlag“ bezeichnen, da diese Beziehung und die damit verbundenen Herausforderungen mein bisheriges Weltbild komplett auf den Kopf stellten. Ich befasste mich von nun an intensiv mit Mentaltraining, Spiritualität und der Tiefenpsychologie. Verschiedene Weiterbildungen und diverse Coaches unterstützen mich zudem auf meinem Weg zu mir selbst. Aus der Krise entfalteten sich drei wundervolle Kinder, eine Hochzeit und ein neues Bewusstsein dafür, was das Leben wirklich bietet!
Ich nahm mein Leben von nun an selber in die Hand, überwand Prägungen und Blockaden, hinterfragte und definierte meine Werte neu und kam in den Flow meines Lebens. Mein Beruf wurde zur Berufung. Meine Arbeit zu meinem Leben.
Ich unterrichtete viele Jahre voller Freude als Fach- und Klassenlehrer an einer Sekundarschule. Hausaufgaben gab es höchstens freiwillige, die Themen passte ich an die Interessen der SchülerInnen an und anstelle von Belohnung und Bestrafung setzte ich auf echte Beziehungen, ehrliche Feedbacks und ganzheitliche Coachinggespräche – für Schüler und Eltern!
In dieser Zeit machte ich mich als „Lehrer. Mensch. Mutmacher.“ teilweise selbständig, bot Coachings und Workshops an, machte Vorträge und engagierte mich in der Bewegung „Glücksschule“ für einen Wandel in Schule und Gesellschaft. Ich war mir sicher: Ich will die (Bildungs-)Welt verändern!
Nach über 10 Jahren als Fach- und Klassenlehrer an der öffentlichen Schule, führte mich das Leben an die Kompass Schule in Luzern: Eine Privatschule mit dem Schwerpunkt „Selbstbestimmtes Lernen“. Ich spürte schnell, dass mir diese Schule die Möglichkeiten bietet, meinen Horizont und meine Erfahrungen zu den Themen „Bildung“ und „Mensch sein“ weiter zu vertiefen.
Kapitel 2 – zweite Krise
Neben dem Mitwirken als Co-Schulleiter und Lernbegleiter an der Kompass, engagierte ich mich weiter tatkräftig für den Schulwandel. Neben dem beruflichen Engagement versuchte ich auch zu Hause mit meinen drei Kindern das umzusetzen, was ich anderen über Bildung, Beziehung und Begleitung von Kindern und Jugendlichen erzählte. Und wenn Zeit und Energie blieben, versuchte ich auch noch den „Verpflichtungen“ als Ehemann möglichst gut nachzukommen.
Im Herbst 2022 stoppten ein heftiger Bandscheibenvorfall und eine intensive Grippe mein Treiben und ich erkannte: Ich übernahm mich, wollte zu viel und verlor einmal mehr vor lauter Begeisterung die Verbindung zu mir selbst. Das „Schöpfer sein“ erschöpfte mich.
Neben der Kompass Schule beendete ich alle weiteren Engagements und Projekte, um mich wieder mehr mir selbst und meiner Familie zu widmen. Lang andauernde und intensive Durchschlafprobleme luden mich weiter ein, mein Leben tiefgreifend zu erforschen.
Im Frühling 2023 bekam ich meine Schlafprobleme allmählich in den Griff – meine Entscheidungen trugen Früchte. Ich fühlte mich langsam wieder in meiner inneren Mitte und wurde mir bewusst, was ich aus dieser – eher intensiven – Lebensphase mitnehmen durfte: Es gibt nichts zu tun! Das Leben und auch der Schulwandel geschehen ausserhalb meiner Kontrolle. Ich erfahre in meinem Leben, was es zu erfahren gibt. Kein Buch, keine Weiterbildung und keine Methode werden mich aus meinen Lebensprozessen retten. Das Leben lädt mich ein, mich meinen Prozessen hinzugeben, loszulassen – und doch präsent und wach zu bleiben.
So bin ich weiter auf dem Weg, lasse mich vom Leben immer wieder in die Balance schaukeln, beobachte urteilsfrei meine Entscheidungen, Gedanken und Handlungen, geniesse die Freuden – und erforsche die Dramen.
Ich habe losgelassen, im Leben und auch in der Bildung. Und es bestätigt sich immer mehr, was ich schon lange vermutet hatte: Lernen geschieht einfach, wenn wir es nicht mit unseren Erwartungen, eingeschränkten Vorstellungen und Ängsten blockieren.
Schön, wenn ich dich dabei unterstützen kann, dem Leben und all seinen Prozessen noch tiefer zu vertrauen. Denn alles ist gut, genau so, wie es ist!